Aminosäuren
Aminosäuren sind die kleinsten Bausteine der Eiweiße. Sie bestehen aus einer Kohlenstoffkette, an deren einem Ende sich eine Säuregruppe (COOH) und eine Aminogruppe (NH2), die Stickstoff enthält, befinden. Aminosäuren verbinden sich kettenartig zu Eiweißen. Hierbei reagiert immer die Aminogruppe der einen Aminosäuren mit der Säuregruppe der anderen Aminosäure. Sämtliche in der Natur vorkommenden Proteine (Eiweiße) werden aus dem Bausatz von nur 20 verschiedenen Aminosäuren gebildet.
Funktion im menschlichen Stoffwechsel:
Die Aminosäuren (As) werden in unentbehrliche (früher essentielle), entbehrliche, konditionell unentbehrliche und Vorläufer von konditionell unentbehrlichen aufgeteilt. Die Tabelle gibt eine Übersicht:
unentbehrliche | entbehrliche | Konditionell | Vorstufen konditionell entbehrlicher As |
Histidin | Alanin | Arginin | Aspartat |
Isoleucin | Asparaginsäure | Cystein | Glutamin/ |
Leucin | Asparagin | Glutamin | Glutamat |
Lysin | Glutaminsäure | Glycin | Glutaminsäure/ |
Methionin | Serin | Prolin | Methionin/Serin |
Phenylalanin |
| Tyrosin | Phenylalanin |
Threonin |
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| Serin/Cholin |
Tryptophan |
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Valin |
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Quelle: DRI Report 6 Teil 3: Proteine und Aminosäuren; E-U 50 (2003), Heft 5, S. 180
Konditionell unentbehrliche Aminosäuren bedürfen der Nahrungszufuhr, sobald eine körpereigene Synthese den Bedarf nicht deckt. Obwohl Histidin als unentbehrlich betrachtet wird, erfüllt es im Unterschied zu den anderen unentbehrlichen Aminosäuren nicht die folgenden Kriterien:
Verringerung der Proteineinlagerung und Eintreten eines negativen Stickstoff-Gleichgewichts nach Ausschluss aus der Kost!
Beispiele:
- Gamma-Aminobuttersäure: Glutamat; Überträgerstoff im Gehirn
- Histamin: aus Histidin; Gewebshormon
- Serotonin: aus Tryptophan; Gewebshormon
- Adrenalin, Noradrenalin (= Katecholamine): aus Phenylalanin
Aminosäure-Stoffwechsel:
Die entbehrlichen Aminosäuren entstehen im Menschen aus Kohlenstoff-Skeletten (z. B. organischen Säuren) und Ammoniak. Bei der Übertragung von Ammoniak (NH3) (Transaminierung), eine zentrale Reaktion im Aminosäure-Stoffwechsel, ist Vitamin B6 (Pyridoxin) als Kofaktor beteiligt.
Das wichtigste Endprodukt des Aminosäureabbaus ist der Harnstoff.
Der Abbau der schwefelhaltigen Aminosäuren Cystein und Methionin führt zu einer Säurebelastung für den Organismus (Schwefel kann nur in Form von Sulfat ausgeschieden werden). Bei der Umwandlung werden säurebildende Protonen (positiv geladene Wasserstoffatome) frei. Säure-Basen-Haushalt). Dies erklärt die Ansäuerung des Urins bei proteinreicher (und damit Methionin- und Cystein-reicher) Kost.
Aminosäuren-Zufuhrempfehlungen:
Empfohlene Zufuhren (in mg je kg Körpergewicht/Tag) | ||||
Aminosäure | 0 – 6 Monate | 7 – 12 Monate | 1 – 3 Jahre | 4 – 8 Jahre |
Histidin | 23 | 32 | 21 | 16 |
Isoleucin | 88 | 43 | 28 | 22 |
Leucin | 156 | 93 | 63 | 49 |
Lysin | 107 | 89 | 58 | 46 |
Methionin + Cystein | 59 | 43 | 28 | 22 |
Phenylalanin + Tyrosin | 135 | 84 | 54 | 41 |
Threonin | 73 | 32 | 32 | 24 |
Tryptophan | 28 | 13 | 8 | 6 |
Valin | 58 | 58 | 37 | 28 |
Quelle: DRI Report 6 Teil 3: Proteine und Aminosäuren; E-U 50 (2003), Heft 5, S. 180
Empfohlene Zufuhren (in mg je kg Körpergewicht/Tag) | |||||||
Aminosäure | 9-13 Jahre | 14-18 Jahre | >= 19 Jahre | Schwangere/ Stillende | |||
m | w | m | w | Schw. | Stil. | ||
Histidin | 17 | 15 | 15 | 14 | 14 | 18 | 19 |
Isoleucin | 22 | 21 | 21 | 19 | 19 | 25 | 30 |
Leucin | 49 | 47 | 47 | 44 | 42 | 56 | 62 |
Lysin | 46 | 43 | 43 | 40 | 38 | 51 | 52 |
Methionin + Cystein | 22 | 21 | 21 | 19 | 19 | 25 | 26 |
Phenylalanin + Tyrosin | 41 | 38 | 38 | 35 | 33 | 44 | 51 |
Threonin | 24 | 22 | 22 | 21 | 20 | 26 | 30 |
Tryptophan | 6 | 6 | 6 | 5 | 5 | 7 | 9 |
Valin | 28 | 27 | 27 | 24 | 24 | 31 | 35 |
Quelle: DRI Report 6 Teil 3: Proteine und Aminosäuren; E-U 50 (2003), Heft 5, S. 180
Die Verteilung der Aminosäuren in einem Nahrungseiweiß sowie ihre Verfügbarkeit bestimmen die biologische Qualität eines Proteins (Eiweiß, Eiweißwertigkeit). Diese ist umso höher, je genauer sich die Aminosäuremuster des Nahrungsproteins und des Körperproteins entsprechen. Ähnlich wie bei einer Kette, die niemals stärker als ihr schwächstes Glied sein kann, wird die Eiweißqualität durch die im Minimum vorhandene essentielle Aminosäure (= limitierende Aminosäure) begrenzt. Dies ist z. B.:
- Lysin - in allen Getreiden
- Methionin - in Hülsenfrüchten, Kartoffeln
- Threonin - in Weizen und Roggen
- Tryptophan - in Mais und Reis
Eine Aufwertung der Eiweißqualität erreicht man durch den gleichzeitigen Verzehr verschiedener Proteinträger, die sich bezüglich ihrer limitierenden Aminosäuren ergänzen (Eiweiß).
Bedeutung einzelner Aminosäuren bzw. Aminosäurengruppen:
Schwefelhaltige Aminosäuren (Cystein + Methionin):
bilden die Hauptschwefelquellen in der menschlichen Nahrung. Cystein kann im Körper aus Methionin gebildet werden, aber nicht umgekehrt.
Glucoplastische und ketoplastische Aminosäuren:
In Bezug auf den Energiestoffwechsel spielen Proteine im Vergleich zu den Fetten und Kohlenhydraten eine untergeordnete Rolle. Sie können allerdings bei Bedarf z. B. in Glucose (= Gluconeogenese) oder in so genannte Ketonkörper umgewandelt werden, sind aber anders als Fettsäuren und Glucose keine direkten Energieträger im Rahmen des Energiestoffwechsels des Menschen.
- Ketoplastische Aminosäuren (Leucin, Lysin)
- Keto- und glucoplastische Aminosäuren (Tryptophan, Isoleucin, Phenylalanin, Tyrosin)
- Glucoplastische Aminosäuren (alle anderen)
Verzweigtkettige Aminosäuren (Leucin, Isoleucin, Valin)
Diese werden wegen ihrer chemischen (verzweigten) Struktur auch "Branched-chain amino acids" (BCAA) genannt. Sie fördern den Muskelaufbau zum einen über die Ausschüttung von Insulin, zum anderen über die Freisetzung von Wachstumshormon (STH) und sind daher häufig in speziellen Muskelaufbaupräparaten zu finden.
Wichtige einzelne Aminosäuren:
Arginin:
hat den höchsten Stickstoffgehalt, ein Mangel kann zu einer verminderten Proteinsynthese führen. Arginin ist zudem beteiligt an:
- der Harnstoffbildung in der Leber und damit der Senkung des Ammoniakspiegels
- den zellulären Immreaktionen des Körpers
- der Kollagensynthese (Muskelfasern, Gelenke, Knochen)
- Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) in der glatten Muskulatur (Blutgefäße, Nervenfasern)
Glutaminsäure:
- wesentlicher Bestandteil des Weizeneiweißes (Gliadin)
- Mononatriumglutamat wird als Geschmacksverstärker in der Lebensmittelindustrie eingesetzt. (Glutamat)
Glycin:
- vom chemischen Aufbau die einfachste Aminosäure
- wichtig für den Aufbau vieler wichtiger Stoffe (Purine, Kreatin, Gallensäuren)
- In der Leber wird Glycin für die Ausscheidung der giftigen Phenole benötigt.
Histidin:
- Vorstufe für das biogene Amin Histamin, das u. a. die Salzsäuresekretion stimuliert, den Blutdruck senkt und entzündungserregend wirkt.
Lysin:
- im Getreide die limitierende Aminosäure
- biochemisch verändertes Lysin (Hydroxyderivat) ist Bestandteil des Kollagens.
Phenylalanin und Tyrosin:
- notwendig für den Aufbau von Adrenalin und Tyrosin (Schilddrüsenhormon)
- der Farbstoff Melanin (in Haut, Haaren) wird aus Phenylalanin gebildet
- die Phenylketonurie ist eine Abbaustörung des Phenylalanins.
Prolin:
- ist die Vorstufe von Hydroxyprolin
- Prolin/Hydroxyprolin sind wesentliche Aminosäuren in Kollagen und Elastin (Binde- und Stützgewebe)
Tryptophan:
- das Vitamin Niacin kann aus Tryptophan hergestellt werden
- Tryptophan ist Vorstufe für das biogene Amin Serotonin
Aminosäuren als Nahrungsergänzungsmittel/in der Therapie:
Nahezu alle Aminosäuren können isoliert in freier Form auf dem Markt erworben werden. Die zahlreichen Funktionen der Aminosäuren im Stoffwechsel und therapeutische Wirkungen werden dabei von den Anbietern besonders hervorgehoben. Zu bedenken ist allerdings, dass die Aminosäuren in “freier Natur“ kaum isoliert vorkommen, sondern stets Bestandteile von Proteinen sind. Beim Verzehr von Eiweiß wird somit ein Aminosäurengemisch zugeführt. Werden hingegen einzelne freien Aminosäuren in größeren Mengen (einige Gramm) durch Präparate zugeführt, kann es zumindest im Blut zu einer Imbalanz der üblicherweise vorhandenen Konzentration aller Aminosäuren mit unerwünschten Stoffwechselwirkungen kommen.
Aminosäuren-Stoffwechselstörungen:
Die bekanntesten Aminosäurenstoffwechselstörungen sind die Phenylketonurie (PKU) und die Ahornsirupkrankheit (Leucinose). Diesen Krankheiten liegt eine Abbaustörung bestimmter Aminosäuren (Phenylalanin bei der Phenylketonurie bzw. verzweigtkettige Aminosäuren bei der Ahornsirupkrankheit) zugrunde. Es kommt zu einer Anreicherung diesen Aminosäuren im Körper, die unbehandelt zu schweren geistigen Behinderungen bzw. bei der Ahornsirupkrankheit zum Tode führt. Wietere extrem seltene Aminosäurenstoffwechselkrankheiten sind die Zystinose, die Homozystinurie, die Zystathioninurie, die Zystinurie, die Hyperglyzinämie, die Methymalonazidämie, die Oxalose und die Argininbernsteinsäure-Krankheit.
Literatur:
- Cremer, H.-D. u.a. (Hrsg.): Ernährungslehre und Diätetik, Band II, Teil 1; Georg Thieme Verlag, Stuttgart
- Elmadfa, I., Leitzmann, C.: Ernährung des Menschen; UTB.
- Gaßmann, B.: DietaryReferenceIntakes, Report 6 – Übersicht, Kommentar und Vergleich mit den D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr, T.l 3: Protein und Aminosäuren; E-U 50 (2003), Heft 5
Ahornsirupkrankheit, Biogene Amine, Eiweiß, Eiweißwertigkeit, Glutamat, Niacin, Phenylkenonurie , Vitamin B6